
In Dortmund agiert das neue 4er-Team in dem Fall eines toten Bergmanns. Was haben Tatort-Dortmund-Erfinder und Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Andreas Herzog da nur für einen Tatort abgeliefert, oder anders gefragt: Lohnt sich der Tatort ZORN?
Worum geht es im 13. Dortmunder Tatort?
Der ehemalige Bergmann Andreas Sobitsch wird erschossen gefunden. Die Kommissare Faber, Bönisch, Dalay und Pawlak befragen die Ex-Kollegen des Toten. Ihnen droht nach der Schließung der Zeche eine prekäre Zukunft ohne Job und der finanzielle Ruin. Doch wer von ihnen hätte ein Motiv gehabt, Sobitsch, der sich für die Belange der Bergleute eingesetzt hat, zu erschießen?
Wenig später ergibt sich eine neue Spur für die Ermittler: Bilder auf Überwachungskameras zeigen das Mordopfer mit einer Mitarbeiterin vom Verfassungsschutz. Die Behörde befasst sich aktuell mit einem Reichsbürger, der mit Waffen und Sprengstoff handelt. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den Bergleuten und einem radikalen, selbsternannten Reichskanzler?
Welche Themen werden im WDR-Tatort ZORN angepackt?

Und damit wären wir beim ersten großen Hauptproblem dieser Episode: Mit der Schließung der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop am 21. Dezember 2018 endete der Steinkohle-Bergbau im Ruhrgebiet. Folgerichtig beschäftigt sich auch der Dortmunder Tatort ZORN mit diesem Thema.
Nur leider verliert der Film schnell das Interesse an seinen Bergleuten. ZORN möchte lieber mit dem Verfassungsschutz und einem verkappten Reichsbürger spielen und einen auf große Weltpolitik machen. Autor Jürgen Werner schießt dabei durch den Themenwald, als gebe es keinen Morgen mehr. Dadurch ist ein völlig überfrachteter und in keinem Punkt zu Ende erzählter Tatort entstanden.
Lohnt sich der Tatort ZORN – Gibt es Neuigkeiten zum Fall Markus Graf?

Ja leider. Es ist eben ein Buch vom Erfinder des Dortmund-Tatorts Jürgen Werner *seufz*.
Der Nebenstrang mit Fabers „Erzfeind“ Markus Graf, der nach seinem Ausbruch im Tatort TOLLWUT weiter auf der Flucht ist, wird in kurzen Szenen wieder angesprochen.
Bleibt die Frage, wie lange diese Nebenhandlung noch aufrecht gehalten wird. Denn zum einen unterbricht es permanent den laufenden Fall (“horizontale Erzählung” kann auch zornig machen!), zum anderen ist Faber dadurch ständig erpressbar. Denn der würde alles machen, um Graf zu schnappen.
Wie agieren die vier Ermittler miteinander?

Kommen wir zum zweiten Hauptproblem dieser Folge:
Martina Bönisch fasst das Elend passend zusammen: „Wenn man so ein Team hat, braucht man keine Feinde.“
Während das Verhältnis zwischen Faber und Bönisch sich langsam entspannt, ticken die jungen Kollegen völlig aus, im Speziellen Nora Dalay. Sie keift in einer Tour, ermittelt auf eigene Faust und ist einfach unausstehlich. (Schon in TOD UND SPIELE war uns das sehr negativ aufgefallen).
Wenn sie ihrem Kollegen Pawlak nach einer verpatzten Befragung höhnisch applaudiert, ist man geneigt, peinlich berührt den Tatort abzuschalten. Streitereien auf dem Schulhof haben mehr Inhalt als dieses Gezanke. Ein Beispiel:
Pawlak: „Ich lass mich nicht wie einen Idioten behandeln.“
Dalay: „Was soll ich machen? Zum Kollegen reicht es offensichtlich noch nicht.“
Pawlak: „Was ist denn dein scheiß Problem?
Dalay: „Du bist mein scheiß Problem.“
Es kann mir doch keiner erzählen, dass Aylin Tezel mit Freude so eine Ermittlerfigur ausfüllt. Auch Schauspieler Rick Okon tut einem in der Konstellation ein bisschen leid. Er scheint seine Position in diesem Quartett noch nicht so richtig gefunden zu haben.
Das Drehbuch weiß mit seiner Rolle, die seit TOD UND SPIELE fest zum Dortmunder Tatort gehört, nicht viel anzufangen. Der WDR müsste an einigen Stellschrauben drehen, das haben wir schon besser gesehen.
Was ist mit den Episodenfiguren im neuen Dortmunder Tatort?

Mit Thomas Lawinky, Andreas Doehler, Peter Kremer, Bibiana Beglau und Götz Schubert sehen wir bekannte Gesichter im Tatort ZORN wieder – sie sind die wichtigsten Figuren aus dem Dortmunder Tatort.
Und so richtig überzeugend spielen die Genannten nicht wirklich, was aber hauptsächlich an den Figuren liegt.
Und damit sind wir beim dritten Hauptproblem dieses Krimis angelangt: Beglaus Rolle als Verfassungsschützerin Dr. Klarissa Gallwitz ist eine Farce.
Nach den realen Geschehnissen 2018 steht die Bundesbehörde real sowieso wiederholt in keinem guten Licht da. Durch die vollkommen überzogene Darstellung im Dortmunder Tatort wirkt dieser Bumsladen erneut wie ein entbehrliches Kasperle-Theater. Bewerten wir die Darstellung als Versuch, den Zuschauer humoristisch auf seine Seite zu ziehen. Nur das misslingt gründlich.

Auch der Rest der Nebenfiguren wirkt so, als ob sie die ganze Zeit irgendwelche Zeitungsartikel vortragen. In ZORN passt leider nichts zusammen.
Ist denn der Tatort ZORN wenigstens spannend?
Trotz oder wegen zweier parallel gezeigter Showdowns am Ende: Nein.
Jeder Spannungsbogen wird durch die vielen Handlungsstränge oder durch nicht authentische Figurenaktionen im Keim erstickt. So richtig weiß man am Ende nicht, was nun hier eigentlich wann aufgeklärt wurde.
Dieser Tatort schafft es zu keinem Zeitpunkt, durch eine nachzuvollziehende Geschichte zu fesseln. Das ist insofern schade, weil ZORN sein Potential mit dem Thema, dem dazu passenden Standort und einem eigentlich gar nicht so schlecht aufgelegten Ermittlerteam ins Leere laufen lässt. Was wäre an einem klassischen Whodunit aus dem Bergwerk-Milieu falsch gewesen?
Hat dieser Tatort vielleicht dann doch noch Stärken?

Wenigstens die Optik des Krimis ist konsequent hässlich. Regisseur Andreas Herzog setzt sehr viel auf Grau und Beton. In der Hinsicht ist man sich in Dortmund treu geblieben.
Zudem handelt Martina Bönisch unter diesen Umständen trotz Rückenschmerzen sehr gelassen. Sie gibt ein wenig Halt in diesem ziemlich schlechten Tatort, ist immer noch die Konstante im Team.
Lohnt sich der Tatort ZORN?

Nein.
ZORN ist eine Mischung aus Ermittlerkrimi und Politthriller mit einem aktuellen Thema, der schnell seinen dramaturgischen Faden verliert und ihn bis zum Ende nicht wiederfindet.
Dazu gesellen sich übertrieben anstrengende Figuren, denen man – ganz ehrlich – nicht besonders gerne zuschaut.
Eingefleischte Faber-Fans kommen dennoch auf ihre Kosten. Die Charakterzüge des schnoddrigen und lebensmüden Ermittlers wurden nicht verändert. Er trägt nach wie vor die gleiche Klamotte und Körperhygiene bleibt für ihn ein Fremdwort.
FAZIT: ZORN ist ein überfrachteter, spannungsarmer und zum Teil richtig nerviger Krimi und der bislang schlechteste Dortmunder Tatort. Die 13 scheint für Faber & Co keine Glückszahl zu sein.
Ich vergebe in der Tatort-Rangliste 1,5 von 10 möglichen Punkten.